Spezialisierte Demenzpflege im Serata 1

«An Demenz erkrankte Menschen verdienen bestmögliche Lebensqualität»

Interview mit Aferdita Tolaj, Abteilungsleiterin Ebene E

In der geschützten Wohneinheit Serata 1 können bis zu 27 an Demenz erkrankte Menschen mit einer Weglaufthematik ihren Lebensabend so würdevoll, angenehm und selbstbestimmt wie nur möglich verbringen. Abteilungsleiterin Aferdita Tolaj und ihr Team schaffen für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine familiäre Atmosphäre, die auf Respekt, Flexibilität und Herzlichkeit beruht.

Aferdita Tolaj, Sie leiten seit April 2022 die geschützte Demenzabteilung im Serata. Im Gespräch mit Ihnen spürt man förmlich Ihr Herzblut und Ihr Engagement. Woher kommt Ihre Begeisterung für die Aufgabe?
Das Setting mit an Demenz erkrankten Menschen ist ganz anders als zum Beispiel jenes in der Langzeitpflege. In der geschützten Wohneinheit E sind wir wie eine grosse Familie. Die Menschen leben hier und sollen sich zuhause fühlen. Sie sind authentisch, ungefiltert und dankbar. Natürlich sind wir immer wieder gefordert. Je nach Stadium ihrer Erkrankung können sich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr mitteilen und so müssen wir oft analysieren oder erahnen, was ihnen fehlt, wo sie Schmerzen haben oder was sie beschäftigt. Dadurch ist unsere Arbeit auch sehr anspruchsvoll. Wir erhalten aber viel an Dankbarkeit und Wertschätzung zurück. Deshalb erfüllt mich die Aufgabe voll und ganz.

Wie viele Menschen mit der Diagnose Demenz betreuen Sie und Ihr Team?
Wir betreuen 27 Bewohner:innen. Alle befinden sich im mittleren oder schweren Stadium einer Demenz. Zurzeit haben wir Menschen mit Alzheimer, mit vaskulärer Demenz und mit frontotemporaler Demenz auf unserer Abteilung und Menschen mit gemischten Formen von Demenz. In unserer Abteilung hat es Einzel-, Zweier- oder Dreierzimmer und 4 Gemeinschaftsräume. Hier treffen wir uns für die Mahlzeiten und verschiedene Aktivitäten. Zum Schlafen ziehen sich die Bewohner:innen in ihre Zimmer zurück.

Was dürfen wir uns unter den Aktivitäten vorstellen und welchen Ansatz verfolgen Sie im Serata?
In unserer Abteilung legen wir grossen Wert auf eine konsequente Bewohnerorientierung. Wir nehmen die individuellen Bedürfnisse, Ressourcen und Lebensgeschichten unserer Bewohner:innen wahr und gestalten den Alltag so, dass ihre Stärken gefördert und ihre Identität gestärkt werden. Unser Ziel ist es, vorhandene Fähigkeiten zu erhalten, auszubauen und gleichzeitig Freude, Lebensqualität sowie ein Gefühl von Sinnhaftigkeit zu schaffen.

Unsere Aktivitäten sind vielseitig und reichen von Einzelaktivierungen und individueller Betreuung bis hin zu Gruppenaktivitäten mit bis zu zehn Teilnehmenden. Dabei fördern wir gezielt die Ressourcen jedes Einzelnen und unterstützen sie dabei, ihre persönliche Identität und Einzigartigkeit zu bewahren.

Zu unseren Angeboten gehören kreative Tätigkeiten wie Backen, Singen, Tanzen und Turnen, um motorische und kognitive Ressourcen zu fördern.

  • Entspannungsangebote: Handmassagen und beruhigende Basalstimulationsmassagen zur Förderung des Wohlbefindens.
  • Erinnerungsarbeit: Aktivierung des Langzeitgedächtnisses durch vertraute Gegenstände, Lebensgeschichten und biografische Gespräche, um die persönliche Identität zu stärken.
  • Geistige Anregung: Gedächtnistraining, Kartenspiele wie Jassen sowie andere kognitive Übungen.
  • Alltagsintegration: Einbindung in alltägliche Aufgaben wie das Zusammenlegen von Tüchern, um Autonomie, Sinnstiftung und Zugehörigkeit zu fördern.
  • Bewegung und Natur: Spaziergänge und andere Aktivitäten im Freien zur Förderung der körperlichen Gesundheit und des Gemeinschaftsgefühls.

Unsere Abteilung ist lebendig und abwechslungsreich. Gleichzeitig achten wir darauf, ruhige Gruppenkonstellationen und Rückzugsmöglichkeiten für Bewohner:innen anzubieten, die diese benötigen. Die Förderung von Ressourcen und Identität steht bei all unseren Aktivitäten im Mittelpunkt. Dadurch unterstützen wir die Bewohner:innen dabei, ihre Fähigkeiten aktiv zu nutzen, ihre Selbstständigkeit zu bewahren und ihre Lebensgeschichte als wertvollen Teil ihrer Persönlichkeit zu erleben.

Mit unserem Ansatz möchten wir nicht nur den Alltag bereichern, sondern auch Lebensfreude, persönliche Entfaltung und ein starkes Gefühl der Identität fördern.

Die an Demenz Erkrankten können sich in Verhaltensänderungen wie Aggression, Apathie oder in verzerrten Realitäten äussern. Wie gehen Sie damit um?
Unsere Grundhaltung bedeutet, die Menschen wertzuschätzen, zu akzeptieren und sie nicht auf ihre Erkrankung zu reduzieren. Obwohl viele ihre Bedürfnisse nicht mehr direkt äussern können, haben sie die gleichen Grundbedürfnisse wie wir: Trost, Einbezug, Bindung, Beschäftigung und Identität. Wir versuchen, uns in die Welt der Bewohner:innen einzufühlen und ihnen dort zu begegnen – auch wenn sie sich zum Beispiel in einer früheren Zeit ihrer Biografie befinden. Man muss gar nicht immer so weit denken, sondern einfach für die Menschen da sein, ihnen zuhören, sie beim Namen nennen und sie auch einfach einmal in den Arm nehmen. Dabei bieten wir ihnen Autonomie in dem Rahmen, in dem sie sich und andere nicht gefährden. Allerdings gibt es in der Arbeit mit an Demenz Erkrankten keine Patentrezepte. Wir alle stossen manchmal an Grenzen. In solchen Situationen ist der Austausch im Team enorm wichtig. 

Welche Rolle spielen die Angehörigen für Sie?
Die Angehörigen gehören auch zur Familie und sind immer willkommen. Sie sind für uns ein zentrales Element für den Pflegeprozess, denn sie kennen ihre Liebsten besser als wir. Man muss sich bewusst sein, dass Demenz für die Angehörigen ein Abschiednehmen bedeutet von dem Menschen, mit dem sie oft sehr lange das Leben geteilt haben, den sie lieben und von dem sie geliebt werden. Damit tun sich die Angehörigen verständlicherweise oft sehr schwer. Wenn die Betroffenen zu uns kommen, wurden sie meist schon lange Zeit zuhause gepflegt. Angehörige fühlen sich oft verpflichtet, ihre Liebsten so lange wie möglich zuhause zu behalten. Viele von ihnen stossen allerdings an Grenzen und sind zunehmend erschöpft. Für uns ist es sehr wichtig, dass die Angehörigen physisch und psychisch gesund bleiben. Deshalb legen wir vom ersten Kontakt an grossen Wert auf die Angehörigenpflege, bieten Gespräche an, führen Beratungen durch und ziehen sie ganz nach ihren Bedürfnissen in den Alltag mit ein.

12 Tipps für Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen

Die Betreuung von an Demenz Erkrankten ist physisch und psychisch eine grosse Belastung. Die folgenden 12 Tipps sollen helfen, mit der Erkrankung umzugehen und sich selbst Sorge zu tragen.

  1. Vermeiden Sie Kritik oder Korrekturen, auch wenn Aussagen oder Handlungen der Betroffenen nicht der Realität entsprechen.
  2. Regelmässige Tagesabläufe geben Sicherheit und Orientierung. Vermeiden Sie Reizüberflutung.
  3. Lächeln, Augenkontakt und Berührungen sind oft wirkungsvoller als Worte.
  4. Unterstützen Sie die Betroffenen bei Aufgaben, statt sie komplett zu übernehmen.
  5. Markierungen, Erinnerungsnotizen oder Bilder können Orientierung geben.
  6. Alte Fotos, Lieblingsmusik oder vertraute Gerüche können positive Emotionen wecken.
  7. Gespräche über vergangene Ereignisse fördern das Wohlbefinden.
  8. Aggressives Verhalten oder Unruhe können auf Schmerzen, Hunger oder Angst hindeuten. Konzentrieren Sie sich auf positive Themen, um Spannungen zu entschärfen.
  9. Nehmen Sie sich Zeit für eigene Hobbys und Erholung, gönnen Sie sich Ferien.
  10. Nutzen Sie Unterstützungsangebote, zum Beispiel Tagesstrukturen wie das Serata Tagaktiv, Beratungen oder Entlastungsdienste.
  11. Informieren Sie sich über die Erkrankung, besuchen Sie Kurse und oder Selbsthilfegruppen für Angehörige.
  12. Wenden Sie sich frühzeitig an den Hausarzt bzw. die Hausärztin, wenn ein Verdacht auf Demenz besteht. In einer Memory-Klinik lässt sich der Verdacht erhärten oder ausschliessen.

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